Vertrauen oder Kontrolle - Wie das Vertrauen der Mitarbeiter gewinnen?
Führung zwischen Vertrauen und Kontrolle: Ein dialektischer Blick auf zwei wichtige Führungshandlungen
Die Balance zwischen Vertrauen und Kontrolle ist für Führungskräfte entscheidend, um das Vertrauen der Mitarbeiter zu gewinnen und die Unternehmensziele im Blick zu behalten. Die gängige Redewendung „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ wird häufig – und das eher beiläufig – in Kontexten verwendet, in denen klar auf Struktur, Ordnung und Absicherung gesetzt wird. Gleichzeitig liest man in vielen Führungsratgebern und in sozialen Medien, dass eine vertrauende Führungshaltung der kontrollierenden Haltung zu bevorzugen sei. Das Propagieren einer Vertrauenskultur hat, zumindest in organisationalen Kontexten von Agilität und New Work, aktuell Hochkonjunktur und gilt als wirksames Elixier einer modernen und zeitgemäßen Zusammenarbeit.
Vertrauen und Kontrolle – Widerspruch oder Ergänzung?
Doch stehen diese beiden Führungs- und Handlungsprinzipien wirklich in einem unauflösbaren Gegensatz? Oder sind sie zwei Seiten derselben Medaille und können gar nicht ohneeinander existieren? Ein dialektischer Blick hilft, diese Frage differenzierter zu betrachten.
Zunächst müssen wir uns jedoch vor Augen führen, dass wir Menschen sind: Unsere beobachtbaren Handlungen – geleitet von Emotionen, Erfahrungen und Sozialisation – sind stets unberechenbar bzw. nicht vollständig kalkulierbar. So bleiben innerpsychische Motive und Interessen, die hinter getroffenen Entscheidungen stehen, häufig im Verborgenen. Gleichzeitig sind alle Organisationen oder Teams auf uns Menschen angewiesen: Stabile Prozesse oder notwendige Veränderungen entstehen oder werden durch uns aufrechterhalten. Das mag zunächst nicht überraschen, ist aber für den Bezug dieses Artikels essenziell. Die durch die Wechselwirkung zwischen Menschen (psychisches System) und Organisation (Kommunikationssystem) entstehende soziale Komplexität kann u.a. durch die „Mechanismen“ Kontrolle und Vertrauen be- und verarbeitet werden.
Das Zusammenspiel von Vertrauen und Kontrolle
Während Kontrolle häufig mit Misstrauen oder Mikromanagement gleichgesetzt wird, signalisiert Vertrauen das Zutrauen in die Fähigkeiten und die Integrität von Mitarbeitenden. Doch beides greift zu kurz. In einer komplexen Welt, in der Führungskräfte mit Unsicherheit, Dynamik und Ambiguität umgehen (lernen) müssen, sind sowohl Vertrauen als auch Kontrolle essenzielle und unerlässliche Führungs- und Handlungsprinzipien, die im Sinne der Organisation eingesetzt werden sollten.
Vertrauen ist häufig dann eine notwendige Führungshandlung, wenn aktuell zu viel gleichzeitig passiert bzw. entschieden werden muss. Durch Viel- und Mehrdeutigkeiten des Status quo reduziert Vertrauen vorhandene Komplexität (Luhmann, 2014, S. 27) und ermöglicht es bspw. der Führungskraft, sich mit anderen, im Moment wichtigeren Führungsentscheidungen auseinanderzusetzen. Ohne Vertrauen müsste stets jedes Detail überprüft werden, was sehr zeitintensiv wäre und langfristig zur Überforderung führt. Vertrauen setzt also auf eine ungewisse Zukunft und erfordert folglich immer auch Mut. Eine Führungskraft, die vertraut, nimmt das Risiko auf sich, enttäuscht zu werden. Daher benötigen Führungskräfte, die auf Vertrauen setzen, auch eine entsprechende Enttäuschungskompetenz – also einen adäquaten Umgang mit Situationen, in denen sie selbst enttäuscht werden oder andere enttäuschen, wenn sie z. B. gewährtes Vertrauen zurücknehmen und verstärkt kontrollieren.
Gleichzeitig ist Kontrolle natürlich nicht per se schlecht. Im Gegenteil! Kontrolle bedeutet nicht zwangsläufig Misstrauen, sondern kann als verantwortungsvoller, regulierender Mechanismus verstanden werden. In Unternehmen braucht es Verlässlichkeit und Strukturen, um Prozesse effektiv zu gestalten. Kontrolle ermöglicht es, Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen und die Qualität der Arbeit zu sichern. Sie kann Mitarbeitenden Orientierung und Sicherheit bieten – wenngleich Kontrolle immer nur punktuell ausgeführt werden kann und das Autonomiebedürfnis von Mitarbeitenden einschränkt. Dort, wo vertraut wird, muss gleichzeitig auch kontrolliert werden – sonst würde daraus blindes Vertrauen werden (Eidenschink/ Merkes, 2021, S.69 ff). Wenn jedoch alles und jeder ständig kontrolliert wird, würde die Organisation in sich zusammenbrechen.
Jede Führungskraft, jedes Team und letztlich auch jede Organisation muss sich im Zeitverlauf immer wieder neu der Frage zuwenden, wie kontrolliert bzw. vertraut werden soll, damit die vielschichtigen Ziele und Zwecke des Unternehmens erfüllt werden können.
Wann braucht es was? Entscheidungsprozesse von Führung in der Dauerschleife zwischen Vertrauen und Kontrolle
Ein dialektischer Ansatz von Vertrauen und Kontrolle bedeutet folglich nicht ein „Entweder-oder“, sondern ein „Sowohl-als-auch“. Vertrauen und Kontrolle gehören zusammen und können sich gegenseitig verstärken. Beide Mechanismen sollten auf unterschiedlichen Ebenen (Organisation, Team, Führungskraft) immer wieder feinjustiert werden, um der jeweiligen Situation (Komplexität) gerecht zu werden.
Die Art und Weise, wie Kontrolle bzw. Vertrauen in einer Organisation über Entscheidungsprämissen umgesetzt wird, sagt viel über deren Kultur und damit über die Vergangenheit des Unternehmens aus. Eine tendenziell ängstliche, vorsichtige Unternehmenskultur fördert Kontrolle aus Misstrauen – Mitarbeitende versuchen dann eher, Sanktionen zu vermeiden, als Verantwortung zu übernehmen. Eine Kultur, in der sich eher vertraut wird, nutzt Kontrolle als Feedbackmechanismus, der notwendige Entwicklungen sichtbar macht.
Neben vielen undurchsichtigen und nicht kausal planbaren Entscheidungen und Einflüssen entsteht eine Vertrauenskultur (Vertrauen der Mitarebiter gewinnen) auch dadurch, dass Kontrolle nicht zur Machtausübung missbraucht wird, sondern Orientierung bietet. Dies ist natürlich wieder ein verborgener, in uns Menschen ablaufender Prozess, der nicht exakt bestimmbar ist. Die Narrative von Führungskräften und die gemachten Erfahrungen von Mitarbeitenden spielen hierbei eine bedeutsame Rolle. Wenn Menschen erfahren, dass Kontrolle nicht der Einschränkung, sondern der Verlässlichkeit dient, fördert dies eine vertrauensvolle Kultur.
Ein Beispiel: Ein Beratungsunternehmen möchte weg von reiner Anwesenheitskontrolle und setzt auf Ergebnisorientierung. Statt starrer Zeitvorgaben gibt es regelmäßig Peer-Reviews, in denen sich Teams gegenseitig Feedback geben. Kontrolle wird so nicht von oben verordnet, sondern in die Verantwortung der Teams gelegt.

Fazit: Kontrolle braucht Vertrauen – Vertrauen braucht Kontrolle
Je nach Kontext, Teamzusammenstellung und organisationaler Kultur kann das Pendel mal stärker in Richtung Vertrauen oder stärker in Richtung Kontrolle ausschlagen. Die Redewendung „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ würde wir folglich also gerne beiseite legen. Die Frage ist auch nicht „Vertrauen oder Kontrolle?“, sondern „Wie kann Kontrolle vertrauensvoll und Vertrauen mit kluger Kontrolle gestaltet werden?“. Führungskräfte, die diese Dynamik mit Bedacht einsetzen, schaffen eine Balance, die sowohl Sicherheit als auch Eigenverantwortung ermöglicht. In einer sich wandelnden Arbeitswelt bleibt die Kunst, situativ zwischen Vertrauen und Kontrolle zu navigieren, eine der zentralen Führungsherausforderungen.
Literaturverweise in diesem Artikel:
Eidenschink, K. / Merkes, U. (2021): Entscheidungen ohne Grund, Vandenhoeck & Ruprecht
Luhmann, N.(2014): Vertrauen – 5. Auflage, UVK Verlagsgesellschaft mbH