Gruppendynamik - Offenlegen, was immer da ist?
Sie ist immer da – immer da, wo ein soziales System von mindestens drei Personen zusammentrifft. Viele spüren sie, sie ist aber nicht vollends nachvollziehbar, sie bereitet einigen Bauchweh und einigen zaubert sie ein Lächeln ins Gesicht. Oft wird sie nicht berücksichtigt und in Organisationen wird der Einfluss maßgeblich unterschätzt. Die Gruppendynamik – mystisch, verkannt, unangenehm, real? Wir laden Sie ein auf eine kurze Reise in die Gruppendynamik.
Die Wurzeln der Gruppendynamik und des gruppendynamischen Trainings
Kurt Lewin war der erste Wissenschaftler, der das Feld der Gruppendynamik erkannt hat und in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts erforscht hat. Hierbei bemerkten er und sein Team am MIT in Boston, dass Gruppen mit Hilfe der Metakommunikation, also der bewussten Kommunikation innerhalb der Gruppe im „Hier und Jetzt“, die Fähigkeit entwickeln, störende Selbstblockaden wieder aufzulösen, schwelende Konflikte zu bereinigen, stabile Machtasymmetrien zu relativieren und Vorurteile zu verflüssigen (vgl. Wimmer „Das besondere Lernpotential der gruppendynamischen Trainingsgruppe“). Diese und weitere Erkenntnisse wurden zur Grundlage für das heutige Format des „Gruppendynamischen Trainings“. In diesem Format bilden Menschen, untereinander völlig unbekannt, aus unterschiedlichen Kontexten zusammen eine neue Gruppe für die Zeit von fünf bis sechs Tagen. Es gibt für die Zeit keine Agenda oder inhaltliche Vorgaben, Ziel ist es, die Gruppendynamik neu zu erkennen und zu versuchen, Metakommunikation zu üben. Die Gruppe wird in dieser Zeit bestenfalls von zwei Trainer*innen begleitet. Die individuell gemachten Erfahrungen können sehr ergiebig sein und den eigenen Blick auf Gruppen und Teams maßgeblich verändern.
Das gruppendynamische Feld
Das gruppendynamische Feld beschreibt drei Richtungen in sozialen Systemen:
- Einfluss: Wer ist oben, wer unten?
- Zugehörigkeit: Wer ist drinnen und wer draußen?
- Verbundenheit/ Intimität: Wer ist sich nah, wer fern?
Soziale Systeme, also menschliche Gruppen orientieren sich immer nach diesen drei Richtungen – und das oftmals unbewusst.
Das gruppendynamische Feld ist entstanden, als Menschen sich das erste Mal in Gruppen zusammengefunden haben. So wurde Komplexität z.B. durch Arbeitsteilung und soziale Regeln reduziert und die Sicherheit jedes Einzelnen durch den Schutz der Gruppe erhöht.
Da jeder Mensch subjektiv eine völlig individuelle und teilweise ambivalente Bedürfnisstruktur innehat – z.B. Eigenständigkeit vs. Zugehörigkeit, Nähe vs. Distanz, Aktivierung vs. Entspannung,… kommt es unweigerlich zu Differenzen und Spannungen innerhalb von sozialen Gruppen. Es ist ein Irrglaube, dass soziale Gruppen ohne Spannungen und Irritationen zusammenleben könnten. Die entscheidende Frage lautet an dieser Stelle: Wie will die Gruppe hiermit umgehen? Transparente, gelebte und integrierte Unterschiedlichkeit ist extrem kreativ und dynamisierend.
Wie und wofür könnte das Offenlegen gruppendynamischer Prozesse nutzbar gemacht werden?
Krisen, Konflikte und Zeiten von Orientierungslosigkeit werden in Teams und Organisationen in der Regel als hemmend und störend wahrgenommen. Oftmals werden Beschleunigungstendenzen als Antwort sichtbar. Möglichst „schnell raus aus der Krise“ lautet das Credo.
Die Gegenbewegung, sprich: die Verlangsamung, wäre hingegen oftmals die sinnstiftendere Alternative. Denn Krisen und Konflikte sind notwendig Abschnitte eines Entwicklungsprozesses in sozialen Systemen. Es ist ein Irrglaube, dass je homogener die Gruppe ist, desto erfolgreicher ist sie. Nein, gerade die Diversität von Gruppen ist das „Sahnestück“ in erfolgreichen Entwicklungsprozessen.
Ein transparenter Gruppenprozess (z.B. Teamentwicklung) führt nicht nur zu einem verstärkten Zusammenhalt der Gruppenmitglieder untereinander, sondern auch zu einer sichtbareren Differenzierung. Unterschiedlichkeiten können eher zugelassen werden, ebenso wie Spannungen und unterschiedliche Meinungen. (vgl. Oliver König, Karl Schattenhofer)